Erstgenerika vs autorisierte Generika: Wann treten sie auf den Markt?

Erstgenerika vs autorisierte Generika: Wann treten sie auf den Markt?
Henriette Vogelsang 21 November 2025 1 Kommentare

Wenn ein Patent für ein bekanntes Medikament wie Lyrica oder Lipitor abläuft, glauben viele, dass ein einfaches Generikum den Markt übernimmt und die Preise fallen. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Hinter der scheinbar einfachen Entscheidung, ein Generikum zu kaufen, verbirgt sich ein strategischer Kampf zwischen großen Pharmaunternehmen und Generika-Herstellern - und der Zeitpunkt des Markteintritts entscheidet, wer gewinnt.

Was ist ein Erstgenerikum?

Ein Erstgenerikum ist das erste Generikum, das nach erfolgreichem Patentanfechtung eine Genehmigung der FDA erhält. Es basiert auf einem sogenannten ANDA-Antrag (Abbreviated New Drug Application). Der Hersteller muss nachweisen, dass sein Produkt bioäquivalent zum Originalmedikament ist - also genauso wirkt und vom Körper genauso aufgenommen wird. Doch der Weg dorthin ist lang und teuer: bis zu drei Jahre, 5 bis 10 Millionen Dollar Investition und oft jahrelange Gerichtsverfahren.

Als Belohnung für dieses Risiko gewährt das Hatch-Waxman-Gesetz von 1984 dem ersten erfolgreichen Antragsteller 180 Tage exklusive Vermarktungsrechte. In dieser Zeit hat er fast den gesamten Generika-Markt für sich. Kein anderes Generikum darf zu diesem Zeitpunkt verkauft werden. Der Erstgenerikum-Hersteller kann seine Preise noch etwas höher halten, weil er der einzige Anbieter ist. In dieser Phase erreichen Erstgenerika oft 70 bis 90 Prozent der Marktanteile - und bringen Einnahmen von 100 bis 500 Millionen Dollar ein.

Was ist ein autorisiertes Generikum?

Ein autorisiertes Generikum ist etwas anderes. Es ist nicht von einem anderen Unternehmen entwickelt, das das Patent anfechtet. Es ist das Originalmedikament - aber mit einem anderen Label. Der Hersteller des Originalpräparats, etwa Pfizer oder AbbVie, lässt sein eigenes Medikament unter einem generischen Namen verkaufen. Oft wird es sogar in derselben Fabrik produziert wie das Markenprodukt.

Das Besondere: Ein autorisiertes Generikum braucht keinen ANDA-Antrag. Es nutzt einfach die bestehende Zulassung des Originalpräparats (NDA). Das bedeutet: Es kann innerhalb von Tagen auf den Markt kommen, sobald das Unternehmen es entscheidet. Keine 10 Monate Wartezeit, keine jahrelangen Prüfungen. Nur eine Genehmigung und los.

Warum ist der Zeitpunkt so wichtig?

Der entscheidende Knackpunkt liegt in der Timing-Strategie. Die 180-Tage-Exklusivität des Erstgenerikums war eigentlich dafür gedacht, Anreize für echte Konkurrenz zu schaffen. Doch große Pharmafirmen haben gelernt, wie man diese Regel aushebelt.

Stell dir vor: Teva bringt am 1. Juli 2019 das erste Generikum von Lyrica (Pregabalin) auf den Markt. Ein großer Erfolg. Doch am selben Tag - oder spätestens binnen 30 Tagen - startet Pfizer mit Greenstone LLC ein autorisiertes Generikum von Lyrica. Plötzlich hat Teva nicht mehr den ganzen Markt für sich. Plötzlich teilt es sich den Markt mit dem Originalhersteller. In nur wenigen Wochen verliert Teva mehr als ein Drittel seiner Marktanteile. Die Preise fallen nicht um 85 Prozent, wie sonst üblich, sondern nur um 65 bis 75 Prozent.

Studien zeigen: 73 Prozent aller autorisierten Generika werden innerhalb von 90 Tagen nach dem Markteintritt des Erstgenerikums gestartet. 41 Prozent sogar am selben Tag. Das ist kein Zufall. Das ist geplant. Es ist eine strategische Waffe, um die finanziellen Vorteile des Erstgenerikums zu brechen.

Zwei identische Pillenbänder laufen parallel in einer Fabrik, während ein Startup-Team eine FDA-Genehmigung hält.

Wie wirkt sich das auf die Preise aus?

Generika senken normalerweise die Preise um 80 bis 90 Prozent. Das ist der große Vorteil für Patienten und das Gesundheitssystem. Doch wenn ein autorisiertes Generikum sofort mit dem Erstgenerikum konkurriert, bleibt der Preisverfall viel geringer.

Die RAND Corporation hat berechnet: In solchen Fällen sinken die Preise nur um 65 bis 75 Prozent. Das klingt vielleicht nicht viel - aber bei einem Medikament, das jährlich 5 Milliarden Dollar umsetzt, bedeutet das eine Milliarde Dollar an verpassten Einsparungen pro Jahr. Das ist Geld, das nicht für andere Behandlungen, Medikamente oder Krankenhäuser zur Verfügung steht.

Und wer profitiert? Die Hersteller des Originalpräparats. Sie verlieren zwar den Markenanteil, aber sie halten den Preis hoch - und sie behalten die Kontrolle über den Markt. Sie verkaufen ihr eigenes Produkt einfach unter einem anderen Namen. Und sie verhindern, dass ein echter Konkurrent den Markt dominieren kann.

Welche Medikamente sind betroffen?

Dieses Spiel findet nicht nur bei einem Medikament statt. Es ist Standard in vielen Therapiebereichen.

  • Kardiovaskulär: 32 Prozent der Fälle - zum Beispiel bei Blutdruckmitteln oder Cholesterinsenkern.
  • Zentrales Nervensystem: 24 Prozent - wie Antidepressiva, Epilepsie-Medikamente oder Schmerzmittel.
  • Stoffwechselerkrankungen: 18 Prozent - zum Beispiel Diabetes-Medikamente wie Jardiance.

Derzeit sind Medikamente wie Eliquis (Apixaban) und Jardiance (Empagliflozin) die neuen Schlachtfelder. Hier wird genau beobachtet, wann das Patent abläuft - und wann das autorisierte Generikum startet.

Wie reagieren Generika-Hersteller?

Die kleinen und mittelgroßen Generika-Hersteller haben nicht viel Spielraum. Sie investieren Millionen in Rechtsstreitigkeiten und Forschung - und dann kommt das autorisierte Generikum und nimmt ihnen den Gewinn.

Viele Unternehmen berichten, dass der gewinnträchtige Zeitraum für Erstgenerika von 180 Tagen auf nur noch 45 bis 60 Tage geschrumpft ist. In einigen Bereichen ist es kaum noch wirtschaftlich, ein Patent anzugreifen. Die Risiken sind zu hoch, die Chancen zu gering.

Einige führende Firmen entwickeln jetzt sogenannte „Dual-Path“-Strategien: Sie bereiten nicht nur ein Erstgenerikum vor, sondern auch eine Partnerschaft mit einem großen Pharmaunternehmen - damit sie selbst ein autorisiertes Generikum anbieten können, wenn das Originalprodukt auf den Markt kommt. Es ist eine Art Überlebensstrategie: Entweder du kämpfst - oder du spielst mit.

Eine Apotheke mit drei Pilleflaschen unterschiedlicher Aura: echtes Generikum, autorisiertes Generikum und Markenprodukt.

Was sagt die Regierung dazu?

Die FDA hat die Anzahl der genehmigten Erstgenerika in den letzten Jahren erhöht - 80 im Jahr 2017 allein. Aber das System ist anfällig für Manipulation. Nur knapp 10 Prozent der Generika-Anträge werden beim ersten Versuch genehmigt. Im Vergleich dazu: 90 Prozent der Originalmedikamente bekommen ihre Zulassung sofort.

Im Inflation Reduction Act von 2022 hat der US-Kongress klargestellt: Autorisierte Generika gelten nicht als echte Generika, wenn es um Preisverhandlungen für Medicare geht. Das ist ein wichtiges Signal. Es bedeutet: Die Regierung erkennt an, dass diese Produkte nicht den gleichen Wettbewerbscharakter haben wie echte Generika.

Die FTC (Federal Trade Commission) untersucht auch „Pay-for-Delay“-Abkommen - wo große Firmen kleine Generika-Hersteller bezahlen, damit sie nicht konkurrieren. Manchmal werden solche Abkommen mit autorisierten Generika verknüpft. Aber die Durchsetzung bleibt unklar. Es gibt viele Fälle - aber nur wenige Strafen.

Was bedeutet das für Patienten?

Am Ende zählt, was im Apothekenschrank liegt. Patienten bekommen oft ein Generikum - aber sie wissen nicht, ob es ein echtes ist oder ein autorisiertes. Und sie zahlen mehr, als sie sollten.

Ein echtes Generikum ist oft günstiger als ein autorisiertes, weil es von einem unabhängigen Hersteller kommt. Ein autorisiertes Generikum ist oft teurer - weil es von demselben Unternehmen stammt, das vorher das teure Markenprodukt verkauft hat. Es ist wie ein neuer Name für das alte Produkt. Mit weniger Rabatt.

Die Folge: Die Preise fallen langsamer. Die Ersparnisse für das Gesundheitssystem bleiben aus. Und die Hoffnung, dass Generika den Markt befreien, wird enttäuscht.

Wie wird sich das weiterentwickeln?

Analysten von Evaluate Pharma prognostizieren: Bis 2027 werden autorisierte Generika 25 bis 30 Prozent aller Generika-Verkäufe ausmachen - gegenüber 18 Prozent im Jahr 2022. Das bedeutet: Der Markt verändert sich. Die alte Regel - Erstgenerikum gewinnt - gilt nicht mehr.

Die Zukunft gehört nicht mehr nur dem, der als Erster kommt. Sondern dem, der am besten mit der Strategie des Originalherstellers umgehen kann. Wer jetzt noch glaubt, dass Generika einfach billiger sind, irrt. Die Regeln haben sich geändert. Die Preise hängen nicht mehr nur vom Patent ab - sondern davon, wer wann entscheidet, was auf den Markt kommt.

Was ist der Unterschied zwischen einem Erstgenerikum und einem autorisierten Generikum?

Ein Erstgenerikum wird von einem unabhängigen Hersteller entwickelt, der das Patent des Originalmedikaments anfechtet und eine eigene Genehmigung (ANDA) von der FDA erhält. Es hat 180 Tage exklusive Vermarktungsrechte. Ein autorisiertes Generikum wird vom Originalhersteller selbst oder mit seiner Erlaubnis verkauft - es nutzt die bestehende Zulassung (NDA) und braucht keine neue FDA-Prüfung. Es kann jederzeit auf den Markt kommen, sogar während der Exklusivzeit des Erstgenerikums.

Warum starten autorisierte Generika oft am selben Tag wie das erste Generikum?

Das ist eine gezielte Strategie der Originalhersteller. Sie wollen die 180-Tage-Exklusivität des Erstgenerikums untergraben. Indem sie sofort mit ihrem eigenen, identischen Produkt auf den Markt kommen, teilen sie den Markt und verhindern, dass der Erstgenerikum-Hersteller die vollen Gewinne einfährt. So bleibt der Preis höher, als er sonst wäre - und die Ersparnisse für das Gesundheitssystem bleiben aus.

Können autorisierte Generika die Preise wirklich senken?

Ja - aber weniger als echte Generika. Ein autorisiertes Generikum senkt die Preise oft nur um 65 bis 75 Prozent, während ein echtes Erstgenerikum ohne Konkurrenz Preise um 80 bis 90 Prozent senkt. Das liegt daran, dass der Originalhersteller weiterhin Kontrolle über den Preis hat. Er verkaufte vorher das teure Markenprodukt - jetzt verkauft er es unter einem anderen Namen. Der Wettbewerb ist nicht echt.

Warum bekommen Generika-Hersteller oft keine FDA-Genehmigung beim ersten Versuch?

Die FDA hat massive Verzögerungen bei der Prüfung von ANDA-Anträgen. Zwischen 2008 und 2012 dauerte die Prüfung oft drei Jahre. Selbst heute werden nur knapp 10 Prozent der Generika-Anträge beim ersten Mal genehmigt. Im Vergleich dazu: 90 Prozent der Originalmedikamente bekommen ihre Zulassung sofort. Das schafft einen massiven Nachteil für echte Generika-Hersteller - und einen Vorteil für diejenigen, die auf das NDA des Originalherstellers zurückgreifen können.

Ist es fair, dass große Pharmaunternehmen autorisierte Generika starten?

Es ist legal - aber nicht fair im Sinne des Hatch-Waxman-Gesetzes. Dieses Gesetz wollte echte Konkurrenz fördern, indem es den ersten Generika-Hersteller belohnte. Autorisierte Generika nutzen diese Regel aus: Sie verhindern, dass der Erstgenerikum-Hersteller die vollen Vorteile seiner Investition erhält. Viele Experten und Gesundheitsorganisationen sehen das als systematischen Missbrauch des Systems - ein Weg, die Preise künstlich hochzuhalten.

1 Kommentare

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    Joyline Mutai

    November 22, 2025 AT 01:15

    Oh wow, also das mit den autorisierten Generika ist ja geradezu kriminell. Die Pharmafirmen spielen mit dem System wie bei Monopoly, nur dass hier die Patienten die Arme hochhalten müssen, weil sie keine Medikamente mehr bezahlen können. Und dann sagen die noch, sie würden ‘Innovation’ fördern. Lachhaft.

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