Mirtazapin-Sedierung: Wie Bettzeit und Tagesmüdigkeit zusammenhängen

Mirtazapin-Sedierung: Wie Bettzeit und Tagesmüdigkeit zusammenhängen
Henriette Vogelsang 14 November 2025 0 Kommentare

Mirtazapin-Dosis-Effekt-Rechner

Hinweis: Viele Ärzte empfehlen, mit 7,5-15 mg zu beginnen. Höhere Dosen können weniger schlaffördernd wirken und Tagesmüdigkeit verstärken.

7,5 mg

Für optimale Schlafwirkung und geringe Tagesmüdigkeit.

Schlafwirkung:
Tagesmüdigkeit:

Empfohlene Einnahme: Abends vor dem Schlafengehen. Die Sedierung nimmt nach 7-14 Tagen ab (Tachyphylaxie).

15 mg

Gleiches Verhältnis von Schlaf- und antidepressiver Wirkung.

Schlafwirkung:
Tagesmüdigkeit:

Empfohlene Einnahme: Abends. Bei einigen Patienten kann die Tagesmüdigkeit nach zwei Wochen abnehmen.

30 mg

Hauptsächlich für Depressionen, mit reduzierter Schlafwirkung.

Schlafwirkung:
Tagesmüdigkeit:

Empfohlene Einnahme: Nur bei schwerer Depression, wenn niedrigere Dosen nicht ausreichen. Tagesmüdigkeit kann stärker sein.

Wenn du Mirtazapin wegen Depressionen oder Schlafproblemen einnimmst, hast du vielleicht schon gemerkt: Es macht dich extrem müde. Aber warum genau? Und warum wirkt es bei 7,5 mg stärker als bei 30 mg? Viele Patienten sind verwirrt, wenn sie hören, dass höhere Dosen weniger schläfrig machen. Das klingt widersprüchlich - ist es aber nicht. Mirtazapin hat eine einzigartige Wirkung, die man verstehen muss, um sie richtig zu nutzen.

Warum macht Mirtazapin so müde?

Mirtazapin blockiert stark die Histamin-H1-Rezeptoren im Gehirn. Das ist derselbe Mechanismus, den viele Schlafmittel wie Diphenhydramin (Benzadryl) nutzen. Histamin hält dich wach. Wenn du es blockierst, wirst du müde. Und Mirtazapin ist besonders stark dabei - viel stärker als andere Antidepressiva wie Sertralin oder Escitalopram. Studien zeigen, dass es 10- bis 20-mal effektiver an diesen Rezeptoren bindet als Trazodon, ein anderes oft für Schlaf verschriebenes Medikament.

Doch hier kommt der Knackpunkt: Bei niedrigen Dosen (7,5-15 mg) dominiert diese histaminische Wirkung völlig. Bei höheren Dosen (30 mg und mehr) aktiviert Mirtazapin zusätzlich die Noradrenalin-Systeme im Gehirn. Diese wirken anregend - und dämpfen so die Schlafwirkung wieder ab. Das ist die sogenannte umgekehrte Dosis-Wirkungs-Beziehung. Wer mehr nimmt, um besser zu schlafen, macht es sich oft schwerer. Wer 30 mg nimmt, könnte am Morgen genauso müde sein wie jemand mit 15 mg - aber ohne den gleichen Schlafvorteil.

Warum immer abends einnehmen?

Das Medikament wird innerhalb von zwei Stunden nach der Einnahme vollständig aufgenommen. Das bedeutet: Wenn du es um 22 Uhr nimmst, ist es um 0 Uhr im Blut und im Gehirn - genau zur Zeit, in der du einschlafen willst. Dein Körper erreicht die höchste Konzentration während der ersten Schlafphase. Das ist ideal, um die Einschlafzeit zu verkürzen.

Und hier liegt der Trick: Mirtazapin bleibt lange im Körper. Mit einer Halbwertszeit von 20 bis 40 Stunden ist nach 24 Stunden noch etwa ein Drittel des Wirkstoffs vorhanden. Das ist gut für die Stimmung, aber schlecht, wenn du am nächsten Morgen noch schwer im Kopf bist. Wer 30 mg nimmt, hat also nicht nur eine starke Schlafwirkung, sondern auch eine starke Nachwirkung. Wer 7,5 mg nimmt, schläft besser ein, bleibt aber am Morgen klarer.

Die meisten Psychiater empfehlen daher: Beginne immer mit 7,5 mg oder 15 mg abends. Nur wenn die antidepressive Wirkung nicht ausreicht, steigerst du langsam - und verlierst dabei vielleicht den Schlafvorteil. Viele Patienten machen den Fehler, die Dosis zu erhöhen, weil sie denken: „Mehr muss besser sein“. Stattdessen wird die Schlafwirkung schwächer, und die Müdigkeit bleibt.

Wie lange hält die Müdigkeit an?

Die meisten Menschen spüren die stärkste Sedierung in den ersten Tagen. Viele berichten von „Schlaf wie betäubt“ - sie wachen müde auf, fühlen sich wie betrunken, haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Das ist normal. In den meisten Fällen baut sich die Empfindlichkeit innerhalb von 7 bis 14 Tagen ab. Das nennt man Tachyphylaxie: Der Körper gewöhnt sich an die Wirkung.

Studien zeigen, dass 74 % der Patienten diese starke Sedierung in der ersten Woche erleben, aber nach zwei Wochen nur noch 20-30 % davon berichten. Das bedeutet: Die Müdigkeit nimmt ab - aber nur, wenn du nicht die Dosis erhöhst. Wer auf 30 mg steigt, bleibt oft länger müde, weil die noradrenerge Wirkung nicht ausreicht, um die Histaminblockade komplett zu kompensieren.

Ein Patient auf Reddit schrieb: „15 mg um 22 Uhr - ich bin um 7 Uhr aufgewacht, ohne Grogginess. Endlich ein richtiger Schlaf nach Jahren.“ Das ist kein Einzelfall. Viele Nutzer, die bei 15 mg bleiben, berichten von einem „Leben vor und nach Mirtazapin“. Wer aber auf 30 mg steigt, schreibt oft: „Ich schlafe zwar, aber am Tag fühle ich mich wie in Watte gepackt.“

Person in Neonstadt, innere Energiekämpfe zwischen anregendem Rot und sedierendem Blau, hohe Dosis Mirtazapin.

Wie vergleicht sich Mirtazapin mit anderen Medikamenten?

Im Vergleich zu SSRI-Antidepressiva wie Sertralin oder Citalopram ist Mirtazapin deutlich schlaffördernder. Eine Studie zeigte: Bei 15 mg Mirtazapin verkürzte sich die Einschlafzeit um fast 30 Minuten - bei Sertralin nur um 5 Minuten. Das ist ein riesiger Unterschied.

Aber im Vergleich zu Amitriptylin, einem alten Trizyklischen Antidepressivum, ist Mirtazapin weniger sedierend. Amitriptylin blockiert Histamin noch stärker - und verursacht oft mehr Trockenheit, Verstopfung und Gewichtszunahme. Mirtazapin ist da sanfter.

Im Vergleich zu Trazodon - dem anderen Schlaf-Antidepressivum - ist Mirtazapin weniger häufig mit sexuellen Nebenwirkungen verbunden. Bei SSRI-Präparaten leiden bis zu 40 % der Patienten unter vermindertem Lustgefühl oder Ejakulationsproblemen. Bei Mirtazapin sind es nur 2 %. Das macht es besonders attraktiv für Paare oder Menschen, die Wert auf eine intakte Sexualität legen.

Was tun, wenn du am Tag noch müde bist?

Wenn du nach zwei Wochen immer noch schwer wach wirst, hast du mehrere Optionen:

  • Reduziere die Dosis auf 7,5 mg: Das hilft 63 % der Patienten, die zuvor bei 15 mg oder mehr mit Tagesmüdigkeit zu kämpfen hatten.
  • Wechsle zur Morgeneinnahme: Wenn du merkst, dass die antidepressive Wirkung gut ist, aber die Schlafwirkung nicht mehr nötig ist, nimm das Medikament morgens ein. Das funktioniert bei 52 % der Patienten. Die Stimmung bleibt stabil, die Müdigkeit bleibt abends.
  • Warte noch zwei Wochen: Oft baut sich die Tachyphylaxie einfach von allein auf. Du musst nicht sofort etwas ändern.

Es gibt keine „richtige“ Dosis - nur die, die für dich funktioniert. Einige Menschen brauchen 30 mg, um ihre Depression zu kontrollieren - und nehmen dann eine leichte Tagesmüdigkeit in Kauf. Andere funktionieren perfekt mit 7,5 mg und schlafen wie ein Baby.

Wie oft wird Mirtazapin tatsächlich für Schlaf verschrieben?

Obwohl Mirtazapin offiziell nur zur Behandlung von Depressionen zugelassen ist, wird es in den USA in 38 % der Fälle für Schlafprobleme ohne Depression verschrieben. Das ist mehr als bei fast allen anderen Antidepressiva. Es ist das dritthäufigste Medikament für Schlafstörungen - hinter Trazodon und Doxepin.

Warum? Weil es funktioniert. Es ist billig (30 Tabletten 15 mg kosten etwa 4 Euro), wirksam und hat kaum sexuelle Nebenwirkungen. Es ist kein Schlafmittel - aber es ist ein besseres Schlafmittel als viele, die als solche verkauft werden.

Die Zukunft wird zeigen, ob neue Medikamente wie Lemborexant (Belsomra) Mirtazapin ablösen. Aber für Menschen mit Depression und Schlafstörung bleibt es bis 2028 eine der besten Optionen. Die Studien zeigen: 78 % der Patienten sind mit dem Ergebnis zufrieden - wenn sie die richtige Dosis und die richtige Zeit wählen.

Zweiteilige Szene: klare Morgenstimmung mit niedriger Dosis vs. verschwommene Müdigkeit mit hoher Dosis Mirtazapin.

Was sagen Experten?

Dr. Charles Nemeroff von der University of Miami sagt klar: „Mirtazapin sollte immer abends gegeben werden - besonders bei Schlafstörungen. Und nie mit höheren Dosen als nötig.“

Die American Psychiatric Association empfiehlt in ihren Leitlinien: „Beginne mit 7,5-15 mg abends. Steigere nur, wenn die antidepressive Wirkung unzureichend ist.“

Und Dr. Andrew Cutler warnt: „Viele Ärzte erhöhen die Dosis, weil sie denken, das hilft beim Schlafen. Aber das Gegenteil ist wahr. Höhere Dosen machen das Einschlafen schwieriger.“

Es geht nicht darum, mehr zu nehmen. Es geht darum, genau zu dosieren.

Frequently Asked Questions

Warum wirkt Mirtazapin bei niedriger Dosis stärker sedierend als bei hoher Dosis?

Bei niedrigen Dosen (7,5-15 mg) blockiert Mirtazapin hauptsächlich die Histamin-H1-Rezeptoren, die für Wachheit verantwortlich sind. Das führt zu starker Müdigkeit. Bei höheren Dosen (30 mg und mehr) aktiviert das Medikament zusätzlich das Noradrenalin-System, das anregend wirkt und die Schlafwirkung teilweise aufhebt. Deshalb ist die Sedierung bei 15 mg oft stärker als bei 30 mg.

Kann ich Mirtazapin morgens einnehmen, wenn ich tagsüber müde bin?

Ja, das ist möglich - aber nur, wenn die antidepressive Wirkung bereits ausreicht. Wenn du nach zwei Wochen immer noch müde bist, aber deine Stimmung besser ist, kannst du die Einnahme auf den Morgen verlegen. Das hilft 52 % der Patienten, die unter Tagesmüdigkeit leiden. Die Wirkung auf die Stimmung bleibt erhalten, die Schlafwirkung verschwindet.

Wie lange dauert es, bis die Sedierung nachlässt?

Die starke Müdigkeit nimmt in den meisten Fällen innerhalb von 7 bis 14 Tagen ab, weil der Körper sich an die Wirkung gewöhnt (Tachyphylaxie). Wenn du die Dosis nicht erhöhst, wirst du dich nach zwei Wochen deutlich wacher fühlen - auch wenn du weiterhin abends einnimmst.

Ist Mirtazapin besser als Trazodon für Schlaf?

Beide wirken schlaffördernd, aber Mirtazapin hat weniger sexuelle Nebenwirkungen (nur 2 % vs. 30-40 % bei SSRI) und wirkt auch antidepressiv. Trazodon ist stärker sedierend, aber weniger gut für die Stimmung. Wenn du Depression und Schlafstörung hast, ist Mirtazapin oft die bessere Wahl. Wenn du nur Schlaf brauchst, ist Trazodon schneller wirksam - aber mit mehr Nebenwirkungen.

Wie viel Mirtazapin sollte ich bei Schlafstörung nehmen?

Beginne mit 7,5 mg abends. Wenn du nach zwei Wochen immer noch nicht gut schläfst, erhöhe auf 15 mg. Nur wenn die Depression nicht besser wird, steigere auf 30 mg - und akzeptiere, dass die Schlafwirkung dann schwächer sein könnte. Die meisten Menschen brauchen nicht mehr als 15 mg, um gut zu schlafen und ihre Stimmung zu stabilisieren.

Was kommt als Nächstes?

Wenn du Mirtazapin einnimmst und dich fragst, ob du die Dosis ändern sollst - warte zwei Wochen. Beobachte, wann du müde bist, wie gut du schläfst und wie du dich am Morgen fühlst. Schreibe es auf. Sprich mit deinem Arzt, aber nicht nur über „mehr“ oder „weniger“. Frag nach: „Ist 15 mg für mich die optimale Dosis - oder sollte ich sie senken?“

Und vergiss nicht: Mirtazapin ist kein Schlafmittel. Es ist ein Antidepressivum, das zufällig sehr gut schläft. Deshalb muss es auch als solches behandelt werden - nicht als „Schlafpille, die ich mal probiere“.